Ob es nun die Schlagzeile war, dass Glyphosat im Bier gefunden wurde, ließ sich an dem Abend nicht mehr feststellen. Fakt war auf jeden Fall, dass gut 60 Zuhörer, und damit mehr als ursprünglich erhofft, in den Gasthof Drei Lilien nach Waldbrunn gekommen waren,
um der ersten gemeinsamen Veranstaltung von BUND Buchen sowie NABU und Verband Wohneigentum (Siedlergemeinschaft) Waldbrunn beizuwohnen. Zuvor hatte man das Unkrautgift bereits in diversen Lebensmitteln, aber auch in Tampons, Watte- und anderen Baumwollprodukten gefunden.
Als Referenten konnte NABU-Vorsitzender Ernst Stephan Berthold Weigand vom BUND Buchen und Gartenberater Sven Görlitz vom Verband Wohneigentum begrüßen. Außerdem waren MdL Georg Nelius (SPD) und Zweitkandidatin Amelie Pfeiffer (Bündnis 90/Grüne) der Einladung gefolgt und waren auf den Winterhauch gekommen. Stephan hob hervor, dass man festgestellt habe, dass Siedlergemeinschaft und NABU in vielen Bereichen Berührungspunkte und thematische Überschneidungen habe, weshalb man künftig häufig gemeinsamer agieren wolle.
Anschließend ging Berthold Weigand anhand neuster Daten auf das Herbizid (Pflanzenschutzmittel) – oder Nutzpflanzenschutzmittel, so Weigand ein. Glyphosat, das zunächst als Rohrreiniger eingesetzt worden war, wurde erst Anfang der 70-er Jahre für seine heutige Verwendungsart patentiert. Seither ist der Verbrauch rasant gestiegen, zumal bald genmanipulierte Nutzpflanzen auf den Markt kamen, sodass Glyphosat auch während der Wachstumsphase gegen Unkräuter/Wildkräuter eingesetzt wird. In Deutschland werden laut Wiegand inzwischen 6.000 Tonnen im Jahr auf den Feldern ausgebracht. Zwar betonen die Produzenten und Befürworter des Mittels dessen kurze Halbwertzeit von drei bis zu 250 Tagen, es wurde inzwischen aber auch festgestellt, dass insbesondere die nicht ungefährlichen Abbauprodukte bedeutend länger in der Erde bleiben und sich dort anreichern.
Neben bereits bekannten Gesundheitsrisiken wie Hautreizungen, geht man inzwischen auch davon aus, dass Glyphosat und beigemischte Substanzen zu Missbildungen bei Säuglingen führen können, ließ Berthold Weigand die Zuhörer wissen.
Auch die Umweltrisiken seien nicht zu unterschätzen. So gibt es inzwischen zahlreiche Pflanzen, die Resistenzen ausgebildet haben und sich kaum noch bekämpfen lassen. Außerdem fehlen die als Unkräuter bezeichneten Pflanzen insbesondere Insekten und Vögeln als Nahrungspflanze, sodass hier ein Artenrückgang zu befürchten ist. Die Anreicherung im Boden und in Nutzpflanzen führe über die Nahrungskette außerdem dazu, dass Glyphosat inzwischen auch im menschlichen Organismus zu finden ist. Sein eigener Urin habe neun Nanogramm enthalten, obwohl er selbst biologisch gärtnert und beim Einkaufen auf entsprechende Produkte achtet. Auch die Toxizität für Gewässer sei nicht zu unterschätzen. So habe man festgestellt, dass bis zu 100 Prozent aller Amphibien in betroffenen Gewässern sterben.
Dass das Thema Glyphosat derzeit wieder so hochkommt, hängt damit zusammen, dass Mitte März die Entscheidung über die weitere Verwendung des Herbizids für die kommenden zehn Jahre ansteht. Während das Bundesamt für Risikobewertung keine Bedenken sieht, hat eine Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Aufsehen gesorgt. Nach Auswertung zahlreicher Studien haben die WHO-Experten Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Die WHO hat nun dazu aufgerufen, die Gefährlichkeit des Herbizids erneut zu prüfen. Da im Zulassungsverfahren hauptsächlich Gutachten der Hersteller berücksichtigt würden, forderte die WHO einen transparenten Prozess. Außerdem sollen Langzeitstudien und die Giftigkeit von Abbau- und Beimischungschemikalien ebenfalls untersucht werden, um dann eine neue Einschätzung herauszugeben. Dies fordert auch BUND-Experte Berthold Wiegand am Ende seiner Ausführungen.
Anschließend stellten MdL Georg Nelius (SPD) und die Landtagszweitkandidatin Amelie Pfeiffer (Bündnis 90/Grüne) kurz die Positionen ihrer Parteien vor. Beide hoben jedoch auch hervor, dass bei einer Neubewertung und einem möglichen Verbot, alle Beteiligten, so auch die Landwirte beteiligt werden müssen. Beide plädierten jedoch dafür, dass das Mittel aus dem Hausgarten verschwinden soll.
In einer kurzen Diskussion hoben anwesende Landwirte hervor, dass man Glyphosat nicht verteufeln dürfe. In der Landwirtschaft habe man 50 Jahre lang gute Erfahrungen mit dem Mittel gemacht, dass bei sachkundigem Einsatz keinerlei Gefahren berge, zeigten sich die Landwirte überzeugt.
Gartenfachberater Sven Görlitz, vom Verband Wohneigentum, ging anschließend auf mögliche Alternativen im Hausgarten ein. Dort so auch seine Meinung, habe Glyphosat nichts zu suchen. Die Anwendung auf Parkplätzen und Zufahren sei sogar bei hohen Ordnungsgeldern verboten. Auch er hob die Bedeutung der Artenvielfalt hervor. Bei dem Trend zu immer mehr Monokulturen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, könnten Hauseigentümer durch naturnahe Gartengestaltung Lebensräume erhalten bzw. schaffen, die für viele Insekten- und Tierarten existenziell seien.
Im Hausgarten könne man bereits durch Vorbeugung viel erreichen. So sei es einfach, den Un- bzw. Wildkrautsamen durch Mulch- oder Vliesauflagen das Licht zum Keimen zu nehmen. Durch Mulch aus Rasenschnitt und Häckselgut erreiche man auch eine kontinuierliche Düngung der so bearbeiteten Beete. Überhaupt seien die unerwünschten Kräuter meist sogenannte Zeigerpflanzen, die ein Ungleichgewicht im Boden anzeigen. Daher sei es in der Regel sehr hilfreich, Bodenproben untersuchen zu lassen, um den Garten bzw. die Bereiche entsprechend zu bearbeiten. Dann sollten auch die Zeigerpflanzen verschwinden bzw. stark zurückgehen. Neben vielfältigen Maschinen sei aber nach wie vor körperlicher Einsatz gefragt, um Un- bzw. Wildkräuter zu beseitigen. Am Ende seiner kurzweiligen Ausführungen wies Görlitz darauf hin, dass es kein „bestes Mittel“ gegen die Kräuter gebe. Er empfehle jedoch, die bereits erwähnten Lebensräume und Nischen im heimischen Garten zu schaffen. Dort seien auch Kräuter und Stauden willkommen, die nicht nur Nahrung für Insekten, Vögel und Kleinsäuger anbieten, sondern wundervoll anzuschauen sind.
Der Vorsitzende des Vereins Wohneigentum Waldbrunn, Günter Gepperth, dankte den Referenten für die sehr gelungenen Vorträge.
Die tolle Resonanz habe gezeigt, dass man ein wichtiges Thema angegangen sei. Ob es nun am Verstoß gegen das Reinheitsgebot für Bier aus dem Jahr 1516 lag, ließ sich an diesem Abend nicht mehr erkunden. Die Freunde des Gerstensafts ließen sich an diesem Abend ihren Genuss allerdings nicht nehmen.
Alle Vereinsvorstände waren sich jedoch einig, dass man künftig häufiger gemeinsam agieren werde. Ob nun beim Obstbaumschnitt oder wie angesprochen der naturnahen und artenreichen Gartengestaltung.
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