Heuschrecken statt Steaks

Maikäfer-Suppe gegen den Welthunger

Die Referentin.
(Foto: Hofherr)

Waldbrunn. Kostproben gab es zwar keine, aber das Rezept für eine Maikäfer-Suppe hatte die Referentin Ingrid Bunker ihren Zuhörern mitgebracht.

Pro Person werden ungefähr 30 Krabbeltiere benötigt. Flügel und Beine werden entfernt, die Körper dann in Butter geröstet, anschließend in Gemüse- oder Fleischbrühe gegart. Das Rezept hatte die Umweltbiologin im Rahmen ihrer Recherche für den Vortrag „Insekten als populäre und nachhaltige Grundlage in der menschlichen Ernährung?!“ in einem Kochbuch von 1844 gefunden. Damit konnte die Wissenschaftlerin belegen, dass Insekten nicht nur in Asien, Afrika, Südamerika und Australien, sondern auch in Europa durchaus auf den Speiseplänen standen.

Die australische Umweltbiologin, die im Odenwald lebt, war auf Einladung des NABU Waldbrunn ins Gasthaus Drei Lilien gekommen, um ein weiteres Mal  ein außergewöhnliches Thema aufzugreifen, so Vorsitzender Ernst Stephan in seiner Begrüßung.

 

Bereits in ihrer Heimat war Ingrid Bunker auf Insekten als Nahrungsmittel gestoßen. Witchetty-Maden werden von den Ureinwohnern, den Aborigines, roh oder gegrillt verzehrt. Auch Honigameisen stehen auf dem Speiseplan, weshalb Bunker als damals 12-Jährige, erstmals selbst Insekten verspeiste. Ein weiteres Mal standen die sechsbeinigen Tiere bei einem Aufenthalt in Burkina Faso auf Bunkers Speiseplan. In Anbetracht der Tatsache, dass es im Zusammenhang mit der Welternährung immer wieder zu Problemen mit dem Tierschutz, der Massentierhaltung, Lebensmittelskandalen, hat sich die Australierin intensiver mit dem Thema  „Insekten in der Ernährung“ befasst.

 

Zunächst ließ sie die Geschichte der essbaren Insekten   Revue passieren. Bereits im Alten Testament wurde berichtet, dass die Menschen Heuschrecken und Käfer essen. Laut Plinius, dem Älterer weiß die Nachwelt, dass auf Mehl und Wein gezüchtete Käferlarven im Römischen Reich als Delikatesse galten. Auch der griechische Philosoph Aristoteles berichtete von Mahlzeiten, bei denen Zikaden serviert wurden. Das auch in unserer Region Insekten Bestandteil der Ernährung waren, hatte die Umweltbiologin schon anhand der eingangs genannten Maikäfer-Suppe belegt. Allerdings seien Insekten in Europa und insbesondere in Deutschland heute mit Ekel besetzt, sodass der Verzehr kaum vorstellbar scheint.

 

Weltweit gibt es 1.900 bekannte Arten von Insekten, die als essbar gelten. Am häufigsten werden Käfer bzw. deren Larven gegessen. Es folgen Falter und deren Larven. Auch Heuschrecken werden sehr oft verzehrt. Als viert- und fünfhäufigsten Insekten nannte Ingrid Bunker Wanzen und Termiten.

Wie bereits erwähnt, bereichern Sechsbeiner auf nahezu allen Kontinenten den Speiseplan und sorgen dafür, dass Menschen mit tierische Proteine versorgt werden . Laut Bunker sind Insekten proteinreicher als Fisch. In Anbetracht der längst als Problem erkannten Überfischung der Weltmeere, habe man daher durchaus eine Alternative, so die Referentin.

Mopane-Raupen sind in Angola, Botswana, Namibia, Südafrika, Sambia, Simbabwe und Mosambik sehr beliebt. Darüber hinaus verspeist man in Afrika Baumwanzen, Zikaden, Termiten, Heuschrecken, Libellen, Käferlarven und Raupen von Schmetterlingen und Motten. In Lateinamerika bereichern Rüsselkäferlarven, Heuschrecken, Raupen, Atta-Ameisen und Termiten die Ernährung. Aus Wanzeneiern wird Ahuautle produziert, das als mexikanischer Kaviar bekannt ist. In Asien sind Palmen-Rüsselkäferlarven, Weberameisenlarven und –puppen, Bambusraupen und –bohrer sowie Wespenlarven und Grillen die häufigsten essbaren Insektenarten. In ihrem Heimatland kennt man Bogong-Falter, Wittchetty-Maden und Honigameisen, die gerne gegessen werden.

 

Neben dem bereits erwähnten hohen Proteingehalt, enthalten essbarer Insekten Amino- und Fettsäuren, Eisen, Zink, verschiedene Vitamine und Ballaststoffe.

 

Um die Nachhaltigkeit von Insekten als Nahrungsquelle zu belegen, hat Ingrid Bunker eine Aufstellung präsentiert, aus der zu entnehmen war, dass die Produktion von einem Kilo essbaren Insektenfleischs nur 1,7 kg Pflanzenmasse eingesetzt werden muss, während bei Geflügel 2,5 kg, bei Schweinen 5 kg und bei Rindern sogar 10 kg notwendig sind. Auch beim  Wasserverbrauch sind die Insekten sehr viel effizienter als Insekten. Auch bei der Produktion von Treibhausgasen wie Methan und Kohlendioxid, sind die Krabbeltiere sehr viel nachhaltiger. Dass Insekten Bioabfälle zu sich nehmen, ist ein weiterer Nachhaltigkeitsfaktor, so die Australierin. So würde Müll in wertvolle Proteine umgewandelt.

 

Da es sicher ein langer Weg sei, essbare Insekten in den westlichen Industrienationen auf den Speiseplan zu bringen, biete sich zunächst der indirekte Weg der Nutzung an. So könne man in der Fleischproduktion Insekten als Tierfutter einsetzen. Dadurch ließen sich Soja und Getreide einsparen, die man stattdessen in die menschliche Ernährung umleiten könne. Forschungen und Studien hätten gezeigt, dass Insekten die Fleischqualität verbessern. Außerdem sorgen die Insekten als Futter dafür, dass es sehr viel weniger bakterielle Verunreinigungen auf dem Fleisch gibt.

 

Der direkte Weg auf die Teller der Konsumenten lasse sich nur durch massive Öffentlichkeitsarbeit erreichen. Immerhin müsse man den Ekelfaktor überwinden. Bereits heute nehme jeder Mensch 500 Gramm Insekten pro Jahr zu sich, ohne dass das bewusst sei. Maden in Äpfeln, Pflaumen oder Säften etc. tragen dazu bei.

 

Die Darstellung der ernährungsphysiologischen Vorteile und völlige Transparenz bei der Produktion, seien hier Grundvoraussetzung um Akzeptanz zu schaffen. Auch der Hinweis auf den ökologischen Fußabdruck mit reduzierten Treibhausgasen und Medikamentengaben, müsse offensiv vertreten werden. Die Beimischung in Fertiggerichte bei vollständiger Deklaration ließe eventuell den Ekelfaktor in den Hintergrund treten, nannte die Umweltbiologin Ingrid Bunker einen weiteren Ansatz.

 

Gerade die wachsende Weltbevölkerung und die Stillung des globalen Fleischhungers mache es notwendig, den Proteinbedarf künftig stärker per Heuschrecke, Käfer oder Made statt per Steak, Schnitzel oder Braten zu stillen, so das abschließende Fazit.

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